Es atmet, also ist es

Im Anfang war übrigens ein einziges Chaos. Aber als es in diesem form- und gestaltlosen Chaos zu atmen begann, entstand bei jedem Ausatmen der Himmel und bei jedem Wiedereinatmen Zug um Zug die Erde. So etwa könnte es gewesen sein. Ein folgenreicher Anfang war demnach erst gemacht, als das Atmen zu atmen begonnen hatte und damit Gaia, die Erde ward, die beim Ausatmen über sich den Himmel Uranos exspirierte oder auch gebar. Als alles anfing, war es mit der Gestaltlosigkeit vorbei. Und mit dem Ende der allgemeinen Formlosigkeit begann das fortan Strukturierte sein Eigenleben zu führen, wovon sich Geschichten erzählen lassen. Der mythische, der erzählbare Kosmos, ist der Kosmos, der zu atmen begonnen hat.

Aus: Lothar Rumold: „Mythenlese – Ein mythographisches Sammelsurium“, Norderstedt (BoD) 2021, S. 15
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Arborisierung des Lebens

Die Bäume

Nachts hat man manchmal schlimme Träume,
doch man vergißt sie alle.
Am Tag schenkt man dem hellen Vogelschalle
Aufmerksamkeit, und dann sind ja die Bäume
vorhanden, um uns zu erquicken,
ermuntert auf sie hinzublicken.

Dies Gedicht von Robert Walser legt nahe, eine durchgreifende Arborisierung des persönlichen Lebens in allen seinen Aspekten nicht nur in Erwägung zu ziehen, sondern unverzüglich in die Wege zu leiten. Was ich heute zwecks Selbsterquickung und Publikumsermunterung mit diesem Blog-Beitrag ansatzweise getan beziehungsweise versucht habe.

Zur Erholung ein Paket in den dritten Stock schleppen

Nach dem Vorbild unseres Haus-Astrologen Markus Termin ziehe ich nun täglich vor Arbeitsbeginn eine Tarot-Karte, um eine gewisse Ahnung davon zu bekommen, wie sich der Tag entwickeln, was auf mich zukommen könnte „und so weiter und so fort“, as Termin would say.

Heute zog ich die Zwei der Münzen. Zu sehen ist ein (relativ) junger Mann mit hohem Hut, seine ganze Kleidung, mit Ausnahme der hellgrünen Schuhe, ist in leuchtenden Orangetönen gehalten. In den Händen hält er wie balancierend zwei große gelbe Scheiben („Münzen“) mit Pentagramm. Das linke Bein ist leicht angehoben, schwebt spielend, als würde er tanzen, fünfzehn bis zwanzig Zentimeter über dem grauen Grund. Um die Münzen herum windet sich in Form einer liegenden Acht ein gleichfalls hellgrünes Band. Hinter dem Mann mit dem hohen Hut sieht man zwei voll aufgetakelte Segelschiffe auf einem hoch wogenden dunkelblauen Meer unter einem wolkenlos hellblauen Himmel. Der Münzen-Mann sieht davon nichts, scheint ganz auf seinen Tanz mit den gelb-güldenen Münzen-Scheiben konzentriert zu sein.

Im Begleitheftlein zu den Rider-Waite-Tarotkarten heißt es dazu: Die Zwei der Münzen „bringt einerseits Freude, Erholung und Ähnliches zum Ausdruck, wird aber auch als Nachrichten und schriftliche Mitteilungen, Hindernis, Aufregung, Schwierigkeiten, Verwicklung gedeutet.“

Vor dem Ziehen der Karte hatte ich unten an der Haustür den Empfang eines großen schweren Pakets quittiert, das ich nun im Lauf des Tages, so Gott will, irgendwie ins dritte Obergeschoss jonglieren werde.

Praxis statt Utopie

Meine Zusage, etwas über „Bessere Utopien“ zu schreiben, kann ich jetzt nicht mehr zurückziehen – will es auch nicht wirklich. Aber der innere oder der äußere, also der objektive thematische Widerstand ist größer als erwartet. Sei’s drum, oder in den Worten von Elon Musk: „Fuck that. We’re going to get it done.“

Die besseren Utopien sind vielleicht die, die hier und jetzt mit einer sich ständig verändernden Praxis beginnen. „May we know that the world changes / as we change.“ (Phyllis Furumoto)

Wort am Sonntag

„Le dimanche, nous mangeons des croissants au petit-déjeneur.“ Meine Vokabelbox Französisch A1 hält das wahrscheinlich für ein typisch französisches Geständnis. Sonntag ist, wenn es Croissants zum Frühstück gibt. Dass es bei uns heute keine Croissants zum Frühstück gab, liegt also entweder daran, dass nicht Sonntag ist oder wir nicht in Frankreich sind. Natürlich kann auch beides der Fall sein.

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