Zur Parusie oder Wiederkunft Christi
Um die Verbundenheit mit dem Herrn (welchem auch immer) regelmäßig zu erneuern und damit aufrechtzuerhalten, schreckte man in alttestamentarischen Zeiten offenbar nicht davor zurück, den erstgeborenen Sohn oder wenigstens eine der zahlreich vorhandenen Töchter zu opfern als wären sie ein Lamm oder ein Widder Gottes – eine Gleichung, deren reziproke Gültigkeit im Rahmen einer transzendenten Mathematik vom HERRN selbst bestätigt wurde, als er Abraham als Ersatz für seinen im letzten Moment begnadigten Sohn Isaak mit den von Thomas Mann überlieferten Worten „und hier hast du übrigens einen Widder“ einen Widder zur ersatzweisen Schlachtung zukommen ließ.
Der eben erwähnte Abraham muss mit seinem Vorbehalt gegenüber der göttlichen Anweisung, den eigenen Sohn zu opfern, eine Ausnahme gewesen sein. Allgemein war die Opferbereitschaft anscheinend ebenso groß wie weitverbreitet, so dass ein explizites Verbot von Menschenopfern nötig schien, um diesem von da an gottlosen Brauch Einhalt zu gebieten (5. Mose 18,10: „Es soll bei dir keinen geben, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen lässt“).
Warum mit Christi Opfertod zum Wohle der Menschheit einer im Judentum obsolet gewordenen Gepflogenheit die Ehre einer anderen Auferstehung zuteil wurde und bis heute zuteil wird, ist und bleibt ein Rätsel. Am wenigsten überzeugend, ja geradezu peinlich „aufgeklärt“ sind rationalisierende Erklärungen wie etwa die von Franz Alt, der meinte, letztlich nur mit diesem Selbstopfer (einer Art Suicide by Pilatus) habe Jesus die potenziellen Konvertiten unter den Juden von der Authentizität seiner Botschaft und der Gültigkeit seiner Lehre überzeugen können. Really?
Ein ins Mystisch-Transzendente spielender Versuch, das zunächst Unverständliche verständlich(er) werden zu lassen, könnte argumentieren, dass nur im Rückgriff auf scheinbar Obsoletes eine bis dahin noch nicht erreichte finale Versöhnung zwischen Gott und den Menschen (übrigens eine Versöhnung in beide Richtungen) möglich werden konnte. Dieser Rückgriff durfte nicht ein x-beliebiger sein, sondern musste die Qualität einer Tautologie der Tautologien haben, nicht ein Circulus vitiosus, sondern ein Circulus tandem liberandi war gefragt: der in Gestalt seines Sohnes Mensch gewordene Gott opfert sich SICH selbst. Wem es gelänge, den Algorithmus der darin verborgenen göttlichen Logik Programm werden zu lassen, hätte womöglich den Schlüssel zu jener anderen Singularität auf der Festplatte, die wir Parusie oder Wiederkunft Christi nennen.