Ein Hoch auf die Sekundärtugenden oder: Die zweiten werden die ersten sein
„Disziplin ist die höchste Form der Selbstliebe“, sagt der Unternehmer und Coaching-Experte Pascal Feyh. Donald Trump, den die US-Amerikaner jetzt offenbar zum zweiten (nicht wenige behaupten sogar zum dritten) Mal zum Präsidenten gewählt haben, würde dem (in Enlish: Discipline is the highest form of self-love) möglicherweise zustimmen.
Ein Jubiläum und noch ein Geburtstag
Heute vor dreißig Jahren habe ich in Freiburg i. Br. den letzten Teil meiner Meisterprüfung im Holzbildhauerhandwerk (bestehend aus vier Teilen) abgelegt. Am selben Tag wurde meine Oma (geboren am 5. November 1907 in Wälde, einem kleinen Dorf bei Freudenstadt) 87 Jahre alt. Das heißt, mein Meistertitel wird heute 30, meine Oma (Gott hab sie selig) 117.
Auf der Suche nach der Wahrheit im Wort „Geburt“
Die Geburt oder Neugeburt einer (meiner) Homepage oder Website ist, im Vergleich zu anderen Geburten, wahrlich kein großes Ereignis. Dennoch oder eben deshalb hier ein paar im gegebenen Kontext möglicherweise ein wenig hochtrabend wirkende Bemerkungen zum Wort „Geburt“.
Im Duden-Herkunftswörterbuch erfährt man, dass das Wort schon im Mittelhochdeutschen in seiner heutigen Form in Gebrauch war (während es im Althochdeutschen noch „giburt“ hieß) und „sowohl den Vorgang des Gebärens als auch das Geborene“ bezeichnet. Wer mehr über die dem Wort „Geburt“ innewohnende Wahrheit (so die wörtliche Bedeutung von „Etymologie“) erfahren will, darf sich den Eintrag unter dem Stichwort „gebären“ ansehen.
Man sehe mir nach (oder danke mir dafür), dass ich die hohe Informationsdichte dieses Wörterbuch-Eintrags, bei dem einmal mehr „die mannigfaltigen verwandtschaftlichen Beziehungen der Wörter“ (wie es im Vorwort vom 1. Oktober 1963 heißt) nach allen Regeln der etymologischen Kunst sichtbar gemacht werden, hier reduziere auf ein paar Beobachtungen, die ich bemerkenswert fand:
„Gebären“ kommt vom althochdeutschen Verb „beran“ („tragen, bringen, hervorbringen, gebären“), die Verwandtschaft mit dem englischen „to bear“ („tragen, bringen, ertragen, aushalten, zur Welt bringen, gebären“) ist unverkennbar. Auch die Bedeutung des gotischen „baíran“ und des schwedischen „bära“ macht klar, dass dort, wo etwas neu geboren oder hervorgebracht wird, in der Regel auch einiges ertragen werden muss und nicht selten gelitten wird.
Erweitert man die Betrachtung unter Zugrundelegung der sog. erschlossenen (also hypothetischen) Wurzel-Form „*bher“ („sich regen, sich heben, sich bewegen“) auf die indogermanischen Sprachen Altindisch, Griechisch, Lateinisch, so wird erkennbar, dass auch die Bahre, der Ertrag, die Steuer, die Bürde, die Gebärde, der Berg, die Last, die Ladung, die Peripherie, die Metapher, der Phosphor, die Ampel, die Ampulle, der Eimer, die Frucht, die Fruchtbarkeit, der Dieb, der Furunkel, das Frettchen, ja selbst Luzifer (der Licht-Träger) mit der Geburt in einem dann doch ziemlich weit reichenden sprachlichen Zusammenhang stehen.
Die etymologische Suche nach der inneren Wahrheit des Wortes „Geburt“ gleicht somit einem Vorstoß in die Höhen (Berg) und Tiefen (Luzifer) des sprachlich erfassbaren Kosmos selbst. Nimmt man hinzu, dass jedes Wort, auf das man bei dieser Wahrheitssuche stößt, wiederum etymologisch (also wahrheitsforscherisch) zu untersuchen wäre, ahnt man, was der Philosoph Ludwig Wittgenstein im Sinn hatte, als er in seinem „Tractatus logico-philosophicus“ (1921) schrieb: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“. So weit, so schlüssig und daher zufriedenstellend und irgendwie beruhigend, hieße es da nicht am Ende von Wittgensteins „Tractatus“: „Meine Sätze erläutern dadurch, daß sie der, welcher mich versteht, am Ende als unsinnig erkennt, wenn er durch sie – auf ihnen – über sie hinausgestiegen ist. (Er muß sozusagen die Leiter wegwerfen, nachdem er auf ihr hinaufgestiegen ist.) Er muß diese Sätze überwinden, dann sieht er die Welt richtig.“