26. April 2025 | RUMOLD Lothar
Kürzlich habe ich die, der Legende* zufolge, unsterblichen Überreste meines alten Telegram-Kanals MYTHENMEER entsorgt und unter t.me/LotharRumold einen neuen öffentlichen Kanal installiert, auf dem ich (zunächst und zumeist) interessierte Leserinnen und Leser über die Fort-, Rück- und Seitenschritte beim Schreiben eines Romans mit dem Arbeitstitel „Passionsspiele“ auf dem Laufenden halten möchte und (so Gott will) auch werde.
* Das Netz vergisst nichts.
24. April 2025 | Mythenlese, Mythos Mythisches Mythologie
Was Sigmund Freud den Mädchen im Vorschulalter unterstellte, nämlich das bange Leiden unter der furchtbaren Vermutung, sie seien womöglich kastriert worden, war für Kybele schmerzliche Gewissheit: Die Götter hatten sie entmannt, ihr also die Männlichkeit im physiologischen Sinn abgeschnitten – möglicherweise mit derselben Sichel, mit der schon Kronos seinen Vater Uranos kastriert hatte. Wobei man irritierender- aber korrekterweise sagen muss: Eigentlich war es der Hermaphrodit Agdistis gewesen, der von den Olympiern entmannt worden war und hernach als disambiguiertes Wesen unter dem Namen Kybele postphallisch fortexistierte. Da es Agdistis nach der klärenden Operation wahrscheinlich im Wesentlichen nicht mehr gab, konnte allenfalls Kybele von sich sagen, dass sie ihres Gliedes beraubt worden sei, obwohl Kybele als Kybele nie eines besessen hatte. Hier tut sich ein logisch-aporetischer Ur- und Abgrund auf, in den zu blicken wir uns an dieser Stelle leider versagen müssen.
Agdistis war übrigens durch einen im eigentlichen Wortsinn feuchten Traum des Zeus entstanden. Denn als Zeus von dem erotisch unwiderstehlichen Zwitterwesen Agdistis träumte, ging ihm (mindestens) einer ab, um es einmal, und warum auch nicht, volkstümlich vulgär zu formulieren. So wurde aus dem geträumten utopischen Agdistis unversehens der im damaligen Hier und Jetzt eine Zeitlang real existierende. Bis er sich postoperativ und posthum in Kybele und einen herrenlosen Penis aufgliederte. Letzerer fiel auf fruchtbaren Boden und wurde zum Mandelbaum, der dann die in seinem Schatten ruhende Nana mit einer Mandel befiel und somit schwängerte, wonach dann Attis, welcher alsbald zum schönen Jüngling heranwuchs, geboren wurde – noch einen Moment Geduld bitte, dann schließt sich hoffentlich der Kreis.
Als nämlich Kybele auf der Suche nach dem ungeteilten Selbst eines Tages ihrem verlorenen Gemächt in Gestalt des Attis wiederbegegnete, wähnte sie spontan, dass durch eine Vereinigung mit Attis alles wieder gut werden würde. Attis aber, dem es an nichts mangelte, sträubte sich und wollte seine Familie nicht im Stich lassen, wobei ihm die Beziehung zu seinem Schwiegervater Midas noch wichtiger zu sein schien als die zu seiner Ehefrau Ia. Kybele trieb daraufhin in ihrem Neid und in ihrer Eifersucht beide, Attis und Midas, in den Wahnsinn und entweder kastrierten die sich dann gegenseitig oder Attis entmannte sich eigenhändig selbst – was so oder so dazu führte, dass er starb, wodurch Agdistis alias Kybele abermals das Nachsehen hatte.
Zeus wollte Kybele und Attis anscheinend keine zweite Chance geben, denn er weigerte sich, Attis vollständig zu reanimieren. Fast könnte man meinen, er wollte die schon wieder um den Penis gebrachte Kybele verhöhnen, als Zeus entschied, Attis in einem auf Dauer gestellten Wachkoma gelegentlich mit dem kleinen Finger zucken zu lassen – mal mit dem der rechten, mal mit dem der linken Hand.
Aus: Lothar Rumold: „Mythenlese – Ein mythographisches Sammelsurium“, Norderstedt (BoD) 2021, S. 28
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23. April 2025 | AI/KI, Astrologie, Jungfrau, Portfolio, RUMOLD Lothar, Skorpion, Tierkreiszeichen
Habe ChatGPT und Grok gefragt, wer ich bin. ChatGPT hat gesagt, ich sei ein Holzbildhauer, Philologe und Schriftsteller, Grok, ich sei Holzbildhauer, Autor und Essayist. Zusammenfassend könnte man also sagen: Lothar Rumold ist ein Holzbildhauer, Autor, Essayist und Schriftsteller. Wenn die KI das sagt, wird’s wohl stimmen.
Astrologisch gesehen bin ich aber vor allem anderen Jungfrau mit Aszendent Skorpion. Jungfrauen sind strebsame Wesen, perfekt, exakt, ordnungsliebend, analytisch, besorgt bis abgehärmt. Also Anstrengung, Arbeit, Schicksal, Plackerei. Skorpione sind, ergänzend dazu, unerschrockene Sucher, Entdecker, Seefahrer, Investoren, hartgesottene Einzelgänger. Ich bemühe mich, dem Bild, das sich die Sterne von mir gemacht haben, nach und nach immer ähnlicher zu werden.
19. April 2025 | Astrologie, Sternbilder, Tierkreiszeichen, Zodiak
Mit der Sonne und dem Tierkreis ist es wie mit mir und der Lebensbahn: Wandert die Sonne Monat für Monat durch die (mittlerweile nur noch gedachten, s. u.) Sternbilder am Fixsternhimmel oder kommen diese auf die Sonne zu? Gehe ich mehr oder weniger aktiv auf die Siebziger zu oder kommen sie mir ungerufen entgegen?
Man kann es auch so sehen: Auf ihrem scheinbaren täglichen Lauf um den Globus herum wird die Sonne während eines Jahres langsam aber sicher von den zwölf Tierkreiszeichen der Reihe nach überholt – zunächst von der astrologischen Idee von Widder und Stier und erst danach von deren astronomisch konkreten Realisierung.
Stichwort „Präzession der Erdachse“: Die astrologischen Sternbilder sind den astronomischen während der letzten zweitausend Jahre um ein Zeichen voraus geeilt (1° alle 71,6 Jahre), das heißt beispielsweise: wenn sich die Sonne astrologisch gedacht im Widder befindet, steht sie astronomisch oder optisch gesehen noch im Sternbild Fische, wobei zu beachten ist, dass die Größe und Position der dreizehn (13) astronomischen Sternbilder erheblich variiert, während die zwölf (12) astrologischen Zeichen mit ihren jeweils 30° als gleich groß zu denken sind.
18. April 2025 | Gott, Jesus
Um die Verbundenheit mit dem Herrn (welchem auch immer) regelmäßig zu erneuern und damit aufrechtzuerhalten, schreckte man in alttestamentarischen Zeiten offenbar nicht davor zurück, den erstgeborenen Sohn oder wenigstens eine der zahlreich vorhandenen Töchter zu opfern als wären sie ein Lamm oder ein Widder Gottes – eine Gleichung, deren reziproke Gültigkeit im Rahmen einer transzendenten Mathematik vom HERRN selbst bestätigt wurde, als er Abraham als Ersatz für seinen im letzten Moment begnadigten Sohn Isaak mit den von Thomas Mann überlieferten Worten „und hier hast du übrigens einen Widder“ einen Widder zur ersatzweisen Schlachtung zukommen ließ.
Der eben erwähnte Abraham muss mit seinem Vorbehalt gegenüber der göttlichen Anweisung, den eigenen Sohn zu opfern, eine Ausnahme gewesen sein. Allgemein war die Opferbereitschaft anscheinend ebenso groß wie weitverbreitet, so dass ein explizites Verbot von Menschenopfern nötig schien, um diesem von da an gottlosen Brauch Einhalt zu gebieten (5. Mose 18,10: „Es soll bei dir keinen geben, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen lässt“).
Warum mit Christi Opfertod zum Wohle der Menschheit einer im Judentum obsolet gewordenen Gepflogenheit die Ehre einer anderen Auferstehung zuteil wurde und bis heute zuteil wird, ist und bleibt ein Rätsel. Am wenigsten überzeugend, ja geradezu peinlich „aufgeklärt“ sind rationalisierende Erklärungen wie etwa die von Franz Alt, der meinte, letztlich nur mit diesem Selbstopfer (einer Art Suicide by Pilatus) habe Jesus die potenziellen Konvertiten unter den Juden von der Authentizität seiner Botschaft und der Gültigkeit seiner Lehre überzeugen können. Really?
Ein ins Mystisch-Transzendente spielender Versuch, das zunächst Unverständliche verständlich(er) werden zu lassen, könnte argumentieren, dass nur im Rückgriff auf scheinbar Obsoletes eine bis dahin noch nicht erreichte finale Versöhnung zwischen Gott und den Menschen (übrigens eine Versöhnung in beide Richtungen) möglich werden konnte. Dieser Rückgriff durfte nicht ein x-beliebiger sein, sondern musste die Qualität einer Tautologie der Tautologien haben, nicht ein Circulus vitiosus, sondern ein Circulus tandem liberandi war gefragt: der in Gestalt seines Sohnes Mensch gewordene Gott opfert sich SICH selbst. Wem es gelänge, den Algorithmus der darin verborgenen göttlichen Logik Programm werden zu lassen, hätte womöglich den Schlüssel zu jener anderen Singularität auf der Festplatte, die wir Parusie oder Wiederkunft Christi nennen.