Auf der Suche nach der Wahrheit im Wort „Geburt“

Die Geburt oder Neugeburt einer (meiner) Homepage oder Website ist, im Vergleich zu anderen Geburten, wahrlich kein großes Ereignis. Dennoch oder eben deshalb hier ein paar im gegebenen Kontext möglicherweise ein wenig hochtrabend wirkende Bemerkungen zum Wort „Geburt“.

Im Duden-Herkunftswörterbuch erfährt man, dass das Wort schon im Mittelhochdeutschen in seiner heutigen Form in Gebrauch war (während es im Althochdeutschen noch „giburt“ hieß) und „sowohl den Vorgang des Gebärens als auch das Geborene“ bezeichnet. Wer mehr über die dem Wort „Geburt“ innewohnende Wahrheit (so die wörtliche Bedeutung von „Etymologie“) erfahren will, darf sich den Eintrag unter dem Stichwort „gebären“ ansehen.

Man sehe mir nach (oder danke mir dafür), dass ich die hohe Informationsdichte dieses Wörterbuch-Eintrags, bei dem einmal mehr „die mannigfaltigen verwandtschaftlichen Beziehungen der Wörter“ (wie es im Vorwort vom 1. Oktober 1963 heißt) nach allen Regeln der etymologischen Kunst sichtbar gemacht werden, hier reduziere auf ein paar Beobachtungen, die ich bemerkenswert fand:

„Gebären“ kommt vom althochdeutschen Verb „beran“ („tragen, bringen, hervorbringen, gebären“), die Verwandtschaft mit dem englischen „to bear“ („tragen, bringen, ertragen, aushalten, zur Welt bringen, gebären“) ist unverkennbar. Auch die Bedeutung des gotischen „baíran“ und des schwedischen „bära“ macht klar, dass dort, wo etwas neu geboren oder hervorgebracht wird, in der Regel auch einiges ertragen werden muss und nicht selten gelitten wird.

Erweitert man die Betrachtung unter Zugrundelegung der sog. erschlossenen (also hypothetischen) Wurzel-Form „*bher“ („sich regen, sich heben, sich bewegen“) auf die indogermanischen Sprachen Altindisch, Griechisch, Lateinisch, so wird erkennbar, dass auch die Bahre, der Ertrag, die Steuer, die Bürde, die Gebärde, der Berg, die Last, die Ladung, die Peripherie, die Metapher, der Phosphor, die Ampel, die Ampulle, der Eimer, die Frucht, die Fruchtbarkeit, der Dieb, der Furunkel, das Frettchen, ja selbst Luzifer (der Licht-Träger) mit der Geburt in einem dann doch ziemlich weit reichenden sprachlichen Zusammenhang stehen.

Die etymologische Suche nach der inneren Wahrheit des Wortes „Geburt“ gleicht somit einem Vorstoß in die Höhen (Berg) und Tiefen (Luzifer) des sprachlich erfassbaren Kosmos selbst. Nimmt man hinzu, dass jedes Wort, auf das man bei dieser Wahrheitssuche stößt, wiederum etymologisch (also wahrheitsforscherisch) zu untersuchen wäre, ahnt man, was der Philosoph Ludwig Wittgenstein im Sinn hatte, als er in seinem „Tractatus logico-philosophicus“ (1921) schrieb: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“. So weit, so schlüssig und daher zufriedenstellend und irgendwie beruhigend, hieße es da nicht am Ende von Wittgensteins „Tractatus“: „Meine Sätze erläutern dadurch, daß sie der, welcher mich versteht, am Ende als unsinnig erkennt, wenn er durch sie – auf ihnen – über sie hinausgestiegen ist. (Er muß sozusagen die Leiter wegwerfen, nachdem er auf ihr hinaufgestiegen ist.) Er muß diese Sätze überwinden, dann sieht er die Welt richtig.“

NACH MYTHEN – Ausstellung mit Markus Jäger in der Badischen Landesbibliothek (5.7. – 9. 10.2021)

„Auch die fantasievoll ausschweifenden Texte, die Lothar Rumold dieser Bilderflut beisteuert, treiben ein lustvolles Spiel mit den Geschichten, auf die sie sich lose beziehen. Es sind pointierte „Mythogramme“, deren Lektüre in der Ausstellung zu den Bildern und ihren Kontexten hinführen wollen. Wer tiefer einsteigen möchte in diese literarischen, aktuell eingebundenen Mythen-Mutationen, kann diese Texte in der Ausstellung in erweiterter Buchform erwerben. Zusammen ergeben die Bilder und Texte „Nach Mythen“ eine animierende Tour d’horizon durch die Wunder einer versunkenen Götterwelt, die als unsterbliches geistiges Kulturgut eine so eigenwillige Besichtigung lohnt.“

Rüdiger Krohn (Germanist, Prof. em.) am 7.7.2021 in den Badischen Neuesten Nachrichten

„Mit ironischen Schlenkern erzählt der Künstler Lothar Rumold von den Mythen um die griechische Götter- und Heldenwelt. Er erzählt sie nicht nach, er spielt mit ihnen, bringt sie manchmal sacht, manchmal mit einem Ruck in die Moderne.“

Georg Patzer am 3.8.2021 im Badischen Tagblatt
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