Pelops

Dass es eigentlich die Peloponnes beziehungsweise die Peloponnesos heißen muss, müsste oder sollte, wissen die wenigsten. Denn Peloponnes heißt soviel wie Pelops-Insel, also die Insel des Pelops, Sohn des Tantalos. Der hatte, warum auch immer, seinen Sohn und späteren Namensgeber des südlichen Teils von Griechenland den Göttern aufgetischt, als diese zum ersten und letzten Mal bei ihm eingeladen waren. Bis auf Demeter, die gedankenverloren ein Schulterstück verzehrte, nahm aber keiner der olympischen Gäste einen einzigen Bissen zu sich. Stattdessen verbannte man Tantalos in den Tartaros und rekonstruierte Pelops als schönen Jüngling mit einer Schulterprothese aus Elfenbein. Offenbar waren die nicht zum göttlichen Verzehr vorgesehenen Teile in der Küche oder wo auch immer wiedergefunden worden.

Es ist nicht zu leugnen, dass Pelops von seinem Vater übel mitgespielt worden war. Das allein rechtfertigt jedoch kaum, dass der von den Göttern Wiederbelebte Jahre später einen üblen Trick anwandte, um Oinomaos, seinen Schwiegervater in spe, bei einem Wagenrennen zu besiegen und damit in den Besitz von dessen Tochter Hippodameia samt Königreich zu gelangen. Ohne die unsportliche Manipulation des königlichen Streitwagens wäre Pelops Kopf aber sehr wahrscheinlich der dreizehnte gewesen, der, an Oinomaos‘ Haustür genagelt, signalisiert hätte: Hier wohnt einer, mit dem man besser nicht um die Wette fährt, falls es sich bei dem, was man bei dieser Wettfahrt als Einsatz aufs Spiel zu setzen bereit ist, um das eigene Leben handelt.

Aus: Lothar Rumold: „Mythenlese – Ein mythographisches Sammelsurium“, Norderstedt (BoD) 2021, S. 30
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Wir sind eine qualitative Potenzen-Reihe

„Die Welt muss romantisiert werden. So findet man den ursprünglichen Sinn wieder. Romantisieren ist nichts als eine qualitative Potenzierung. Das niedere Selbst wird mit einem besseren Selbst in dieser Operation identifiziert. So wie wir selbst eine solche qualitative Potenzen-Reihe sind. Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es. Ohne vollendetes Selbstverständnis wird man andere nie wahrhaft verstehen lernen.“

Friedrich von Hardenberg (Novalis)

Work in Progress

Kürzlich habe ich die, der Legende* zufolge, unsterblichen Überreste meines alten Telegram-Kanals MYTHENMEER entsorgt und unter t.me/LotharRumold einen neuen öffentlichen Kanal installiert, auf dem ich (zunächst und zumeist) interessierte Leserinnen und Leser über die Fort-, Rück- und Seitenschritte beim Schreiben eines Romans mit dem Arbeitstitel „Passionsspiele“ auf dem Laufenden halten möchte und (so Gott will) auch werde.

* Das Netz vergisst nichts.

Attis und Kybele: Erste und letzte Zuckungen

Was Sigmund Freud den Mädchen im Vorschulalter unterstellte, nämlich das bange Leiden unter der furchtbaren Vermutung, sie seien womöglich kastriert worden, war für Kybele schmerzliche Gewissheit: Die Götter hatten sie entmannt, ihr also die Männlichkeit im physiologischen Sinn abgeschnitten – möglicherweise mit derselben Sichel, mit der schon Kronos seinen Vater Uranos kastriert hatte. Wobei man irritierender- aber korrekterweise sagen muss: Eigentlich war es der Hermaphrodit Agdistis gewesen, der von den Olympiern entmannt worden war und hernach als disambiguiertes Wesen unter dem Namen Kybele postphallisch fortexistierte. Da es Agdistis nach der klärenden Operation wahrscheinlich im Wesentlichen nicht mehr gab, konnte allenfalls Kybele von sich sagen, dass sie ihres Gliedes beraubt worden sei, obwohl Kybele als Kybele nie eines besessen hatte. Hier tut sich ein logisch-aporetischer Ur- und Abgrund auf, in den zu blicken wir uns an dieser Stelle leider versagen müssen.

Agdistis war übrigens durch einen im eigentlichen Wortsinn feuchten Traum des Zeus entstanden. Denn als Zeus von dem erotisch unwiderstehlichen Zwitterwesen Agdistis träumte, ging ihm (mindestens) einer ab, um es einmal, und warum auch nicht, volkstümlich vulgär zu formulieren. So wurde aus dem geträumten utopischen Agdistis unversehens der im damaligen Hier und Jetzt eine Zeitlang real existierende. Bis er sich postoperativ und posthum in Kybele und einen herrenlosen Penis aufgliederte. Letzerer fiel auf fruchtbaren Boden und wurde zum Mandelbaum, der dann die in seinem Schatten ruhende Nana mit einer Mandel befiel und somit schwängerte, wonach dann Attis, welcher alsbald zum schönen Jüngling heranwuchs, geboren wurde – noch einen Moment Geduld bitte, dann schließt sich hoffentlich der Kreis.

Als nämlich Kybele auf der Suche nach dem ungeteilten Selbst eines Tages ihrem verlorenen Gemächt in Gestalt des Attis wiederbegegnete, wähnte sie spontan, dass durch eine Vereinigung mit Attis alles wieder gut werden würde. Attis aber, dem es an nichts mangelte, sträubte sich und wollte seine Familie nicht im Stich lassen, wobei ihm die Beziehung zu seinem Schwiegervater Midas noch wichtiger zu sein schien als die zu seiner Ehefrau Ia. Kybele trieb daraufhin in ihrem Neid und in ihrer Eifersucht beide, Attis und Midas, in den Wahnsinn und entweder kastrierten die sich dann gegenseitig oder Attis entmannte sich eigenhändig selbst – was so oder so dazu führte, dass er starb, wodurch Agdistis alias Kybele abermals das Nachsehen hatte.

Zeus wollte Kybele und Attis anscheinend keine zweite Chance geben, denn er weigerte sich, Attis vollständig zu reanimieren. Fast könnte man meinen, er wollte die schon wieder um den Penis gebrachte Kybele verhöhnen, als Zeus entschied, Attis in einem auf Dauer gestellten Wachkoma gelegentlich mit dem kleinen Finger zucken zu lassen – mal mit dem der rechten, mal mit dem der linken Hand.

Aus: Lothar Rumold: „Mythenlese – Ein mythographisches Sammelsurium“, Norderstedt (BoD) 2021, S. 28
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Wer ist Lothar Rumold?

Habe ChatGPT und Grok gefragt, wer ich bin. ChatGPT hat gesagt, ich sei ein Holzbildhauer, Philologe und Schriftsteller, Grok, ich sei Holzbildhauer, Autor und Essayist. Zusammenfassend könnte man also sagen: Lothar Rumold ist ein Holzbildhauer, Autor, Essayist und Schriftsteller. Wenn die KI das sagt, wird’s wohl stimmen.

Astrologisch gesehen bin ich aber vor allem anderen Jungfrau mit Aszendent Skorpion. Jungfrauen sind strebsame Wesen, perfekt, exakt, ordnungsliebend, analytisch, besorgt bis abgehärmt. Also Anstrengung, Arbeit, Schicksal, Plackerei. Skorpione sind, ergänzend dazu, unerschrockene Sucher, Entdecker, Seefahrer, Investoren, hartgesottene Einzelgänger. Ich bemühe mich, dem Bild, das sich die Sterne von mir gemacht haben, nach und nach immer ähnlicher zu werden.

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