Baum-, Wald-, Holz-Lyrik

DER LINDENBAUM

Am Brunnen vor dem Thore
Da steht ein Lindenbaum:
Ich träumt’ in seinem Schatten
So manchen süßen Traum.

Ich schnitt in seine Rinde
So manches liebe Wort;
Es zog in Freud und Leide
Zu ihm mich immer fort.

Ich mußt’ auch heute wandern
Vorbei in tiefer Nacht,
Da hab’ ich noch im Dunkel
Die Augen zugemacht.

Und seine Zweige rauschten,
Als riefen sie mir zu:
Komm her zu mir, Geselle,
Hier findst Du Deine Ruh’!

Wilhelm Müller (* 7. Oktober 1794 in Dessau; † am 30. September 1827 in Dessau)

STOPPING BY WOODS ON A SNOWY EVENING

Whose woods these are I think I know.
His house is in the village though;
He will not see me stopping here
To watch his woods fill up with snow.

My little horse must think it queer
To stop without a farmhouse near
Between the woods and frozen lake
The darkest evening of the year.

He gives his harness bells a shake
To ask if there is some mistake.
The only other sound’s the sweep
Of easy wind and downy flake.

The woods are lovely, dark and deep.
But I have promises to keep,
And miles to go before I sleep,
And miles to go before I sleep.

Robert Frost (* 26. März 1874 in San Francisco; † 29. Januar 1963 in Boston)

LEBENSBÄUME

Manche sind wie Laubbäume:

     Wenn die Zeit kommt,
     ziehen sie Geist und Kraft aus den Blättern.
     Was vormals Teil des Baumes war,
     wird zum Außen. Ballast.
     Manche Blätter fallen anmutig,
     in leuchtenden Farben, tanzend im Wind.
     Andere werden faulig und braun,
     klammern sich bis zuletzt,
     klatschen in trüber Farbe nass zu Boden.
     Loslassen muss der Baum sie alle -
     es ist seine Natur.

     Was bleibt, ist die Struktur.
     Sichtbar wird sie
     bis in die kleinste Verästelung.
     Die Kräfte ziehen sich zurück,
     sie sammeln sich
     und irgendwann treibt es neu -
     vollständig neu.

Andere sind wie Nadelbäume:

     Um ihr Nadelkleid zu wechseln,
     benötigen sie Jahre;
     ganz bloß stehen sie dabei nie.
     Auch sie treiben im Frühling
     ein wenig,
     jedoch nie in diesem Rausch des Neubeginns -
     ein paar hellgrüne Spitzen
     blinzeln zwischen altem Dunkelgrün.

Beständig sind sie beide in ihrer Art -
beständig im Wechsel der eine,
beständig in seiner Sicherheit der andere.

Ute Deussen (* 5. Januar 1969 in München)

PSALM 96 (Auszug)

Der Himmel freue sich, und die Erde sei fröhlich, das Meer brause und was darinnen ist;
das Feld sei fröhlich und alles, was darauf ist; es sollen jauchzen alle Bäume im Walde
vor dem HERRN; denn er kommt, denn er kommt, zu richten das Erdreich.
Er wird den Erdkreis richten mit Gerechtigkeit und die Völker mit seiner Wahrheit.

Psalm 96,11-13

DIVINA COMEDIA: INFERNO - PRIMO CANTO (Auszug)

Nel mezzo del cammin di nostra vita
mi ritrovai per una selva oscura,
ché la diritta via era smarrita.

Ahi quanto a dir qual era è cosa dura
esta selva selvaggia e aspra e forte
che nel pensier rinova la paura!

Dante Alighieri (* Mai oder Juni 1265 in Florenz; † 14. September 1321 in Ravenna)

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