
Hommage an den Meister von Eriskirch?

et scribo et: Lothar Rumold schnitzt und schreibt und …
Eiche (Pigment, Ölfarbe, Wachs), 42 x 22 x 5 cm (mehr dazu hier)
Das Vorbild für dieses Falten-Relief ist eine Skulptur des Füssener Holz- und Steinbildhauers Anton Sturm (1690-1757). Es handelt sich um eine Darstellung des Heiligen Magnus (im Volksmund „St. Mang“), der gegen Schädlinge aller Art zur Hilfe gerufen wird oder werden kann (das Holz ist demnach, wenn man so will, inhaltlich-thematisch gegen Schädlingsbefall imprägniert).
Sturms Heiliger, von dessen langem Mantel hier ein Ausschnitt im Bereich des linken Knies zu sehen ist, muss dem Spätbarock oder Rokoko zugeordnet werden. Das sieht man meinem Relief nicht an. Es sieht mehr nach Henry Moore als nach Sturm und Drang des 18. Jahrhunderts aus.
Ihren merkwürdige Titel verdankt die Arbeit dem Wunsch des Badischen Kunstvereins, man möge bei der Einreichung eines Exponats für die diesjährige Mitgliederausstellung darauf Rücksicht nehmen, dass der Verein vor 200 Jahren gegründet worden ist. Das habe ich hinlänglich getan. Nicht nur, dass die Zahl 200 ebenso raffiniert wie diskret in den Falten verborgen ist (es kommt halt darauf an, wie man zählt): mit dem pfeilförmigen Abschluss rechts oben habe ich dem e. V. für die kommenden 200 Jahre die anzustrebende Richtung gewiesen. Dass es, gemäß meiner an Zuversicht nichts zu wünschen übrig lassenden Prognose, nach rechts und nicht nach links oben gehen wird, wie man das bei der derzeitigen Geschäftsführung eigentlich erwarten würde, liegt allein daran, dass die Konvention den Zeitpfeil bei graphisch-mathematischen Darstellungen immer von links nach rechts weisen lässt. Höchste Zeit, dass das geändert wird. (Bei der Gelegenheit könnte man die Schreibrichtung gleich mit ändern.)
Die Eröffnung der Mitgliederausstellung ist am Sonntag, 16. Dezember, um 17 Uhr. Die Ausstellung dauert bis 13. Januar 2019.
Für die diesjährige Mitgliederausstellung, an der ich seit ein paar Jahren wieder regelmäßig teilnehme, wünscht sich der Badische Kunstverein eine thematische Bezugnahme auf die Tatsache seiner Gründung vor nunmehr 200 Jahren. Kein Problem, schließlich gibt es Werktitel.
Wenn in der Werkstatt etwas Neues entstanden ist, muss es natürlich hier unter WERKSTATT vermeldet werden. Das gehört sich so. Dass es fast nur Ohren sind, die dann präsentiert werden, fällt mittlerweile sogar mir auf. Heute habe ich deshalb eine Skizze auf ein Eichenbrett geworfen, die letzten Endes zu etwas führen soll, das kein Ohr sein beziehungsweise darstellen wird. Nein, auch kein Auge noch eine Nase oder dergleichen.
Wenn man bzw. ich ein Ohr nach dem anderen schnitzt bzw. schnitze, dann kann man das Ohr nach kurzer Zeit auswendig. Und dann tauchte nicht erst heute die Frage auf, ob das überhaupt stimmt, was ich da schnitze. Oder ob das nicht mein persönliches Fantasie-Ohr ist, eine Form, die sich verselbständigt hat, gewissermaßen autonom geworden und dem Abbildungs-Kontext entkommen ist. Das wäre ja noch schöner: entlaufene autonome Ohren! Die kommen für mich derzeit überhaupt nicht infrage.
Also habe ich mein anatomisch korrektes Anatomie-Buch aufgeschlagen und das dort objektiv richtig (Einwände wurden heute nicht zugelassen) dargestellte Ohr abgezeichnet und obigen Zettel mit Klebeband in Augenhöhe (mit dem Ohr auf Augenhöhe) an die Wand neben meiner Werkbank geklebt. So konnte ich mich während der Schnitzarbeit immer wieder vergewissern, dass ich noch einigermaßen auf dem richtigen Holzweg bin.
Was dabei herausgekommen ist, sieht man hier.
Warum nicht einmal relativ skrupellos das Klischee bestätigen, wonach Holzobjekte dann besonders reizvoll, gefällig oder gar schön sind, wenn naturgegebene und von einem Menschen gesetzte Aspekte eine Allianz des Wohlgefallens eingegangen sind. Soll man grundsätzlich auf Effekte verzichten oder nur dann, wenn es die Natur war, die einem beim Haschen nach denselben auf freundliche Weise zuvor- und entgegen gekommen ist?
Vor noch gar nicht langer Zeit hätte ich solche Kooperationen entschieden abgelehnt. Theodor W. Adorno hat für den Rundfunk einmal „schöne Stellen“ in der Musik analysiert, doch gingen diese stets aufs Konto des Komponisten und nicht des Zufalls oder der Natur, um vom Lieben Gott nicht zu reden. Die schönen Stellen im Holz habe ich nicht zu verantworten. Meine Verantwortung beginnt erst bei der Frage, ob ich naturschöne Stellen in meinen Holzarbeiten zulassen will oder nicht. Und ob ich des weiteren meine Form konsonieren lassen will mit der Naturform. Ich wollte, wie man sieht.